Infusionspumpen erkennen den Herzschlag im Medikamentenfluss
Autor: Jonas Horn, Application Expert Medical Sensirion, Liquid Flow Sensors
Sensortechnologie hebt Infusionspumpen auf die nächste Entwicklungsstufe, indem sie selbst bei Paravasation eine zuverlässige Fehlerdetektion ermöglicht
Täglich erhalten weltweit Millionen von Menschen intravenöse Infusionen, häufig mithilfe intelligenter Infusionspumpen. Diese bieten eine gut kontrollierte Medikamentenversorgung über einen längeren Zeitraum, weshalb sie eine enorme Unterstützung für das Pflegepersonal darstellen. In Bezug auf eine zuverlässige Fehlerdetektion zeigen sie jedoch Schwächen.
Heutige Infusionspumpen haben keine technologische Möglichkeit die Durchflussmenge des Medikamentes im Schlauch direkt zu messen, weshalb zwei Hauptprobleme auftreten: Zum einen geschehen Fehler, die nicht erkannt werden, zum anderen kommt es durch überempfindliche Infusionspumpen zu einer Vielzahl von Fehlalarmen. Gemäss der „top 10 health technology hazards for 2014“ des ECRI Institute lagen Abstumpfung des Pflegepersonals durch falsche Alarme sowie Verabreichungsfehler von Medikamenten im Zusammenhang mit Infusionspumpen auf den Plätzen eins und zwei der gesundheitstechnologischen Risiken für 2014.
Zu den typischen Fehlern bei der Infusionstherapie gehören Okklusion, Luftblasen (Air-in-Line), undosierter Durchfluss (Free Flow), Querflüsse in Mehrfachinfusionen (Cross Flow) sowie Paravasation. Während alle genannten Fehler dem Pflegepersonal wohlbekannt sind, können die aktuellen Infusionspumpen lediglich die ersten drei Fehler erkennen, oftmals mit einer beträchtlichen Verzögerung. Die Durchflusssensortechnologie von Sensirion ermöglicht es intelligenten Infusionspumpen nicht nur diese Fehler zuverlässig zu entdecken, sondern auch Querfluss- und sogar Paravasationsfehlern rasch entgegenzuwirken.
Die Sensortechnologie von Sensirion
Die Sensirion-Sensortechnologie für medizinische Geräte stützt sich auf über zehn Jahre Erfahrung beim Messen äusserst niedriger Durchflussmengen durch die Verwendung modernster CMOSens®-Komponenten. Mit der Entwicklung eines kleinen Durchflusssensorelementes konnte Sensirion erfolgreich Prozesse in der Diagnostik, industriellen Automatisation sowie in der Halbleiterindustrie verbessern. Durch die Verwendung dieser Sensortechnologie in Infusionsapparaturen können medizinische Geräten in Zukunft so konzipiert werden, dass sie die Patientensicherheit erhöhen und das Pflegepersonal noch besser in seiner täglichen Arbeit unterstützen.
Die Methode basiert auf dem mikrothermischen Messprinzip, bei dem ein mikroskopisch kleines Heizelement eine geringe Wärmemenge an die Flüssigkeit abgibt. Die Ausbreitung dieser „Wärmewolke“ wird von zwei Temperatursensoren erfasst, sie steht in direktem Zusammenhang mit der Durchflussmenge im Flüssigkeitskanal. Durch dieses Messprinzip können die Massenflusssensoren von Sensirion zuverlässig und konstant die äusserst niedrigen Durchflussmengen messen, wie sie für medizinische Geräte typisch sind.
Jeder Sensor ist vollständig kalibriert und liefert ein linearisiertes, digitales Signal, um höchste Präzision zu gewährleisten. Durch die einzigartige CMOSens®-Technologie von Sensirion wird die erforderliche Elektronik mit einem Sensorelement auf einem einzelnen Siliziumchip kombiniert. Diese Technologie ist äußerst vielseitig und ermöglicht technologisch und ökonomisch realisierbare Sensorlösungen. Der Sensorchip ist von einem Kunststoffgehäuse umschlossen und bietet alle mechanischen, elektrischen und fluidischen Verbindungen für eine einfache Integration in ein Infusionsbesteck.

Direkt ins Infusionsbesteck integriert, übermittelt der Durchflusssensor von Sensirion die Flussmenge im Schlauch in Echtzeit und gewährleistet dadurch eine bis dato unerreichte Zuverlässigkeit und Sicherheit bei Infusionstherapien. In nur wenigen Sekunden kann eine Okklusion beispielsweise durch das Absinken der Durchflussmenge detektiert werden. Querflüsse können zeitnah kontrolliert und korrigiert werden. Zudem bietet der Sensor eine Blasendetektion zur Erkennung von im Schlauch befindlicher Luft.
Der Sensirion-Durchflusssensor ist schnell, präzise und intelligent. Darüber hinaus ist er sensitiv genug, um geringste Abweichungen in der Durchflussmenge zu detektieren. Er ist beispielsweise so empfindlich, dass er die regelmässigen Ausschläge der Infusionsgeschwindigkeit messen kann, die durch den pulsierenden venösen Druck des Patienten verursacht werden - der Sensor kann den Herzschlag des Patienten erkennen (s. Abb. 1). Die Erkennung des Herzschlags auf dem Durchfluss-Signal ist ein direktes Anzeichen für die intakte Verbindung zwischen der Infusionsleitung und der Vene des Patienten. Umgekehrt deutet das Fehlen dieses Pulses auf eine unterbrochene Verbindung hin. Mögliche Gründe dafür können z. B. ein Knick im Schlauch, ein getrennter oder beschädigter Schlauch oder eine verrutschte Infusionskanüle sein, die wiederum zu einer Paravasation führen kann. Durch die Auswertung des Signals bietet die Sensirion-Sensorlösung eine einzigartige Möglichkeit zur schnellen Detektion von Paravasation, um schädliche Folgen für den Patienten zu vermeiden.

Paravasation
Paravasation beschreibt das Austreten von intravenöser Flüssigkeit aus der Vene in das umliegende Gewebe (siehe Abbildung 2). Die Flüssigkeit kann dabei eine sogenannte nicht vesikante Substanz sein, die oft nur Irritationen verursacht. Paravasation beschreibt aber auch den Austritt vesikanter Substanzen, die weitreichende Folgen wie ein Absterben des Gewebes zur Folge haben können. Vesikante Substanzen sind beispielsweise hochwirksame Medikamente, die bei der Chemotherapie verwendet werden. Die Schäden können sich auf Nerven, Sehnen und Gelenke ausweiten und noch Monate nach dem eigentlichen Vorfall andauern.
Negative Folgen einer verzögerten Behandlung können chirurgische Abtragungen des abgestorbenen Gewebes, Hauttransplantationen und sogar Amputationen sein. Diese schwerwiegenden Konsequenzen bestärken die Notwendigkeit einer zuverlässigeren und sichereren Infusionstherapie und zeigen den Bedarf nach einer raschen Fehlerdetektion. Die Häufigkeit von durch Paravasation verursachten Komplikationen ist sehr schwer zu erfassen, da sie zwischen verschiedenen Krankenhäusern stark variiert und in der Regel nicht konsequent dokumentiert wird. In der Literatur veröffentlichte Schätzungen zum Auftreten derartiger Fälle liegen zwischen 0,1 % und 6 % bei Chemotherapie-Patienten. Paravasation schädigt Patienten und verursacht erhebliche Kosten für das Gesundheitswesen, obwohl beides verhindert werden könnte. Die verursachten Verletzungen ziehen erhebliche Kosten mit sich, u. a. für eine Therapieausweitung, einen längeren Krankenhausaufenthalt oder Rechtskosten.
Ursachen einer Paravasation
Das Austreten von intravenöser Flüssigkeit in das umgebende Gewebe kann auf verschiedene Ursachen zurückzuführen sein, u. a. auf Beschädigungen der Vene beim Einführen eines Katheters. Eine der häufigsten Ursachen ist jedoch die Punktion der Venenwand unter Einwirkung von Reibung durch die Katheternadel. Diesem Effekt geht meist eine Okklusion voraus. Mit einer herkömmlichen Infusionspumpe bleibt die Okklusion so lange unerkannt, bis der Druck im Schlauch eine gewisse Schwelle übersteigt, und der Drucksensor einen Alarm auslöst. Eine schnelle und zuverlässige Detektion der Okklusion durch einen Flusssensor sowie das Anhalten der Infusionspumpe können die Beschädigung der Vene und den anschließenden Flüssigkeitsaustritt verhindern.
Vielseitige Vorteile der Nutzung eines Durchflusssensors
Die meisten Hersteller medizinischer Geräte, die mit Infusionstherapie vertraut sind, sind sich der technologischen Herausforderungen intelligenter Infusionspumpen bewusst. Die Integration eines Durchflusssensors in ein Infusionsbesteck ermöglicht große Fortschritte in der Infusionstherapie und erlaubt eine kontrollierte Medikamentenverabreichung und Fehlerdetektion in wesentlich größerem Rahmen als bisher. Fehler, die bei den gegenwärtigen Infusionspumpen vollkommen unbemerkt auftreten, können festgestellt oder sogar verhindert werden. Durchflusssensoren bieten damit eine Möglichkeit, die Sicherheit und das Wohlbefinden von Patienten zu verbessern, die Arbeitsbelastung für das Pflegepersonal zu reduzieren und Kosten im Gesundheitswesen einzusparen.